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Aktuelles

28.06.2021

Josef Miller: „Bauen mit Holz liegt im Trend“

Staatsminister a.D. bei Hawanger Unternehmer Hans Hundegger

Hawangen/Memmingen. Der Bau von Holzhäusern hat im Allgäu eine lange Tradition. Und was sich im Allgäu seit Jahrhunderten bewährt hat, kann ja bekanntlich für Bayern und Deutschland nicht schlecht sein. Deshalb ist es sehr erfreulich, dass das Bauen mit Holz eine beeindruckende Renaissance erlebt.

Bei den neu errichteten Wohnhäusern hat der Anteil der Holzhäuser kontinuierlich zugenommen. Während er 2006 in Deutschland bei 13 Prozent und in Bayern bei 14 Prozent lag, wird heute in Deutschland jedes fünfte und in Bayern sogar bereits jedes vierte neue Haus in Holzbauweise errichtet. Die Umsatzsteigerung im Holzhausbau in Bayern ist enorm: von 2,8 Mrd. Euro im Jahr 2006 auf 6,3 Mrd. Euro im Jahr 2020. Auch die Zahl der Beschäftigten im Holzhausbau ist in diesem Zeitraum um 41 Prozent gestiegen. Damit ist das Ende des Anstiegs noch nicht erreicht. In Baden-Württemberg wird jedes dritte neue Haus, in Österreich sogar mehr als jedes dritte neue Haus mit Holz gebaut. (1)

Eine neue Epoche in der Holzverarbeitung

Die Digitalisierung hat die Holzverarbeitung voll erfasst. Das Besondere an den Holzhäusern der neuen Generation ist die hohe Vorfertigung und die kurze Bauzeit, ohne Baustelleneinrichtung und ohne Aufstellung von Baukränen. Der Anteil der Handarbeitszeiten hat sich dadurch erheblich verringert. Die Vorfertigungszeit beträgt heute etwa sieben bis zwölf Tage, das Aufstellen der Häuser erfolgt in weniger als zwei Tagen. Die Arbeit erfolgt über das ganze Jahr witterungsunabhängig in Montagehallen. CNC-gesteuerte Abbundmaschinen machen die Übertragung von Planungsdaten für die vollautomatisierten Arbeitsvorgänge möglich.  Die Entwicklung dieser Technik erfolgte durch den Allgäuer Unternehmer Hans Hundegger. Mit seinem Team hat er von Hawangen im Landkreis Unterallgäu aus Geschichte geschrieben. Seine Erfindungen haben inzwischen einen Siegeszug um die ganze Welt angetreten. Häuser und Bauten aus Holz haben dadurch in ihrer Wettbewerbsfähigkeit erheblich zugenommen und dem Werkstoff Holz viele neue Perspektiven eröffnet.

Bauen mit Holz in allen Gebäudeklassen möglich

Der Bau von vorgefertigten Wohnhäusern aus Holz kann vor Ort nicht nur sehr schnell in wenigen Tagen erfolgen, ihm sind mittlerweile in der Höhe kaum noch Grenzen gesetzt. Zur Zeit entsteht zum Beispiel im Kemptener Stadtteil Thingers das erste Holz-Hochhaus des Allgäus, das auf sieben Stockwerken Platz für 21 Wohnungen bietet. Erfreulicherweise aus Holz, das in Allgäuer Wäldern geschlagen, mit Allgäuer Technik bearbeitet und mit heimischem Holz aus dem Allgäu verwirklicht wird!

Möglich wurde dies, weil heute Holz beim Brandschutz eine neue Bewertung erfahren hat. Beim Brandschutz wurde in der Vergangenheit der Holzbau ungerechtfertigt behandelt und damit benachteiligt. Das weiß man heute nicht zuletzt durch Forschungen aus Bayern an der Technischen Universität München und an der Technischen Hochschule Rosenheim, in denen die Abbrandgeschwindigkeit von Holz untersucht wurde. Als Ergebnis stellte sich heraus, dass Holz im Brandfall länger die Stabilität und Tragfähigkeit erhält als andere Materialien. So verbiegt sich zum Beispiel Stahl bei Hitze früher, wodurch Decken aus diesem Material früher einstürzen als dies bei Holz der Fall ist. Durch die Änderungen im Bundesbaugesetzt und der Bayerische Bauordnung wurde es möglich, dass Holz bei Holzhäuser in allen Gebäudeklassen auch konstruktiv bis zur Stufe 5, das heißt bis zu einer Höhe von 22 Meter, verwendet werden darf.

Holz eignet sich für Hybridbauweise und für Gebäudeaufstockungen

Die Meinung, dass die Häuser entweder ganz aus Ziegel und Beton oder ausschließlich aus Holz errichtet werden sollen, hat sich geändert. Die Kombination verschiedener Baustoffe (Hybridbauweise) macht es möglich, ihre speziellen Stärken in den jeweiligen Gebäudeteilen zur Anwendung zu bringen, wie zum Beispiel für Geschoßdecken und Treppen aus Beton. Damit kann ein besserer Schallschutz zwischen den Etagen erreicht werden. Dabei sollen die unterschiedlichen Baustoffe so eingesetzt werden, dass ihre speziellen Eigenschaften optimal zur Geltung kommen. Zudem eignet sich Holz, wegen seines relativ geringeren Gewichtes als andere Baustoffe, sehr gut für Gebäudeaufstockungen. Örtliche Wohnungsverdichtungen erfolgen immer häufiger, weil Bauland knapper und damit auch immer teurer wird.

Holz sorgt für ein angenehmes Raumklima

Nicht zuletzt hat Holz hervorragende Eigenschaften, was das „Wohlfühlklima“ in einem Haus anbelangt. Das hat das Forschungsprojekt „Holz-Mensch-Raum“ von Prof. Dr. Stefan Winter von der Technischen Universität München bestätigt (2). Er hat die gesundheitlichen Auswirkungen des „Baustoffes Holz“ auf das Raumklima in einer Metastudie von 42 Forschungsvorhaben analysiert. Alle lieferten positive Ergebnisse bezüglich der Auswirkungen auf das Raumklima. Das Vorhaben wurde von der Clusterinitiative „Forst und Holz“ sowie der „Deutschen Bundesstiftung Umwelt“ gefördert. Einer der Väter der Bundesstiftung Umwelt war übrigens der Schwabe, der frühere Bundesfinanzminister Dr. Theo Waigel, wohnhaft in Seeg. Er hat mehr als 1 Mrd. Euro aus dem Verkauf eines Staatskonzerns als Stiftungskapital bereitgestellt. Die Clusterinitiative „Forst und Holz“ habe ich als damaliger bayerischer Forstminister durchgesetzt und im Land- und Forstwirtschaftsministerium angesiedelt. Letztere soll die Wertschöpfungsketten bei Holz vom Baum bis zum Endprodukt in und zwischen den einzelnen Abschnitten auf Schwachpunkte untersucht werden, um Argumente für deren Beseitigung zu liefern. Solche Lieferketten in die Praxis gut umgesetzt, werden an Bedeutung gewinnen.

Das Allgäu – ein guter Standort für das Wachsen der Bäume

Holz steht im Allgäu in ausreichender Menge zur Verfügung. Die Bäume wachsen im Allgäu besonders schnell und gut. Die allgäuer Landkreise sind einer der besten Waldstandorte in Deutschland und sollen es auch bleiben. Durch seine höheren Niederschläge, seine wasserhaltigen Böden und sein Klima eignet ee sich besonders als Standort für die Fichte. Natürlich gilt es auch im Allgäu Fichtenmonokulturen in stabile Mischwälder umzubauen. Dabei werden die Fichten, ergänzt durch Tannen und Douglasien, in den Mischungen der Baumarten immer noch einen Spitzenplatz einnehmen. Hierzu liefert die Bodenkartierung in Bayern, die unter Forstminister Dr. Hans Eisenmann mit der Staatlichen Förderung begonnen und in meiner Zeit zum Abschluss gebracht wurde, wichtige Entscheidungshilfen. Schließlich können die Sämlinge und Forstpflanzen sich ihren Standort nicht selbst aussuchen. Durch die Auflichtung der Waldbestände und der damit verbundenen Verbesserung der Sonneneinstrahlung ist im Rahmen der Naturverjüngung eine Pflanzung von Fichten häufig nicht mehr notwendig, da sie auf natürliche Weise von selbst nachwachsen.

Prinzip der Nachhaltigkeit garantiert dauerhafte Holzversorgung

Die Holzvorräte in Bayern waren nach der Bundeswaldinventur 2012 auf einem historischen Höchststand und an der Spitze aller Bundesländer. Die Hälfte der Holzvorräte entfiel auf die Baumart Fichte. Mehr als die Hälfte der Fichten in Bayern waren damals mehr als 60 Jahre alt, der große Teil davon ist längst hiebreif. In den letzten Jahren war der Anreiz für den Einschlag aufgrund des Holzüberschusses wegen der starken Trockenheit sowie Windwurf- und Borkenkäferkalamitäten mit Tiefstpreisen nicht sehr groß. Dies gilt vor allem für die privaten Waldbesitzer. So sind zum Beispiel im Landkreis Unterallgäu 50 % der Waldfläche im Eigentum von 8000 privaten Waldbesitzern. Nachdem sie nicht auf regelmäßigen Einnahmen durch den Wald angewiesen sind, haben sie in letzter Zeit weniger eingeschlagen, weil beim Verkauf nach Abzug der Erntekosten wenig übrigbleibt. Dies gilt auch für den Erlös des Geldes auf der Bank durch die geringe Zinshöhe. Der Umbau zu stabilen Mischwäldern erfordert aber den Einschlag durch rechtzeitige Auslichtung der Waldbestände für die Naturverjüngung. Es besteht kein Grund zur Angst, dass zu viel Wald eingeschlagen wird. Nach wie vor gilt, was Carl von Carlowitz (1645/1714) dem Sinn nach vorgeschlagen hat, dass nämlich nicht mehr Holz eingeschlagen werden darf, als jährlich nachwächst. Dies wird auch entsprechend überwacht.

Beitrag der Holzhäuser zum Klimaschutz

Gefahren gehen von dem Klimawandel aus, der zu den größten Herausforderungen unserer Zeit zählt. Der Wald ist davon selbst am stärksten betroffen. Gleichzeitig ist er Teil der Lösung beim Klimawandel. Hauptursache ist der Anstieg des Kohlendioxyds (C0 2). Viele Maßnahmen können zur Reduzierung und Vermeidung von C02 beitragen. Der Wald kann aber noch mehr. Pro Hektar kompensiert der deutsche Wald 8 Tonnen CO2. Die Bäume tragen also nicht nur zur Vermeidung, sondern zur Verminderung von C0 2 bei. Sie bauen bei der Photosynthese mit Hilfe des Chlorophyll (Blattgrün) und der Sonnenenergie den

Kohlenstoff ( C ) aus dem Kohlendioxyd in den Baum ein und setzen damit Sauerstoff (02) frei. Nicht umsonst werden die Wälder als Lunge der Städte bezeichnet. Der Kohlenstoff wird im Holzhaus für lange Zeit gebunden. Holzbauten stammen aus dem Mittelalter und Kirchen aus Holz sind mehr als 1000 Jahre alt und sie stehen heute im Gegensatz zu manchen Betonbauten aus der Neuzeit immer noch. Durch die besonders lange Lebensdauer von Holzhäusern sind diese ein großer Kohlenstoffspeicher. Zudem
wird Holz als Rohstoff besonders energiearm erzeugt,
kann Holz beim Abriss des Häuser wieder verwertet und am Ende energetisch verwertet werden.
Holzhäuser eignen sich also sehr gut um einen Beitrag zur Lösung des Klimawandels zu leisten.

Wald und Holz wird auch in Zukunft im Allgäu eine große Rolle spielen

Das reichlich vorhandene Holz im Allgäu soll mehr als bisher in der Region verarbeitet und vermarktet werden. Damit wird mehr Wertschöpfung in der Region bleiben und die Regionalität der Holzverarbeitung zu einem weiteren Trumpf im Allgäu!

Ich bin deshalb davon überzeugt, dass das Holzhaus im Allgäu in Zukunft eine zunehmende Rolle spielen wird. Ein weiterer Pluspunkt dabei ist, dass es im Allgäu in allen Bereichen des Holzclusters leistungsfähige Betriebe, starke Zusammenschlüsse, Verbände und an deren Spitze herausragende Persönlichkeiten gibt. Das beginnt bei den Forstbetriebsgemeinschaften (FBG) in den einzelnen Landkreisen und ihren Zusammenschluss beim Holzverkauf für das gesamte Allgäu, mit großen Verdiensten stellvertretend von Ignaz Einsiedler und Hugo Wirthensohn, in führenden Funktionen mit vielen anderen klugen und engagierten Verantwortungsträgern. Ich erlebe dies in meiner Heimat durch die FBG Memmingen mit Josef Lohr als Vorsitzender und Theo Sommer als Geschäftsführer. Es umfasst die allgäuer Sägerrunde unter Führung von Peter Fickler, die die Interessen der Säger artikuliert, sowie die zahlreichen holzverarbeitenden Betriebe und Zimmerer bis hin zum Holzforum im Allgäu, zu dem auch die Architekten zählen. Als Antwort auf volatile Weltmärkte und immer größer werdenden gegenseitigen Abhängigkeiten müssen Lieferbeziehungen und Preisfindungen auf den Prüfstand gestellt und neue, diesen Herausforderungen angepasste Lösungen gefunden werden. Dies ist Aufgabe der Beteiligten. Daran wird im Allgäu gearbeitet. Für die Zukunft wird eine enge und verlässliche Zusammenarbeit und gegenseitige Wertschätzung der Berufsgruppen, entlang der „Wertschöpfungsketten Wald und Holz“ darüber entscheiden, ob durch den Qualitätsbegriff „Holzhaus aus dem Allgäu“ die Chancen genutzt und das Allgäu als Wirtschaftsstandort weiter gestärkt wird. Ich bin zuversichtlich, dass dies gelingt.

Verwendete Literatur:
Dr. Herbert Borchert, Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, Hans-Carl-von-Carlowitzplatz 1, D 85354 Freising (1)

Prof. Dr. Hubert Röder, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, D 94135 Straubing (2)

CNC-gesteuerte Abbundmaschinen reduzieren die Arbeitszeiten bei der Fertigung von Holzhäusern um ein Vielfaches. Die Technik entwickelt hat der Allgäuer Unternehmer Hans Hundegger aus Hawangen (rechts). Links im Bild: Josef Miller. Foto: privat